Neulich habe ich beim Gassigehen einen Mann mit seinem Berner Sennen-Welpen Chuck getroffen. Wir kamen ins Gespräch und ich habe ihm von ‚Ich will einen Hund’ erzählt. Er schaute mich mit großen Augen an und meinte „Du schreibst Bücher? Wow!“ „Naja, bisher ist es nur eines und es steckt auch noch in der Veröffentlichung. Aber ja – ich schreibe. Dafür kann ich aber nicht besonders gut rechnen.“, war meine Antwort. Er lachte nur und meinte: „Ist doch prima! Als Autorin solltest Du ja auch schreiben können und nicht rechnen!“ Zack, auf den Punkt gebracht.
Ich konnte noch nie so richtig verstehen, warum wir in der Schule beigebracht bekommen, die Wurzel aus x und den Logarithmus für Y errechnen zu können. Ich habe beides (und einiges mehr) nie wieder brauchen können. Ja, schon klar, meine berufliche Laufbahn hat mich auch ganz weit weg von den Geheimnissen des Zahlenjonglierens gelenkt, während sie für andere durchaus hilfreich sind. Trotzdem: wenn ich so zurückdenke, durften wir eigentlich nur in der Grundschule freie Geschichten zu einem vorgegebenen Thema schreiben. Danach folgten Inhaltsangaben, Interpretationen, Erläuterungen und Co. Das war zwar immer noch besser als Mathe aber auch nicht besonders Fantasie fördernd. Aber was sind wir ohne Fantasie? Diese wunderbaren bunten Bilder in unseren Köpfen, die sich als Geschichten niederschreiben lassen. Die die Türen zu völlig neuen Fantasieräumen in uns aufstoßen. In denen wir uns verlieren können. Und von denen wir nicht selten zehren, weil die Welt da draußen manchmal einfach viel zu düster ist.
Seit ich mich wieder intensiv mit meiner Fantasie beschäftige, fällt mir auf, dass dort, wo ich früher in meinen Gedanken einfach hingehen konnte, heute Türen sind. Manche sind nur angelehnt, andere sind fest verschlossen. Und wieder andere werden schwer bewacht von meinen Zweifeln und meinem Erwachsensein. Ich weiß: das ist das Erbe meines getriebenen Pflichtbewusstseins, das meiner Fantasie den Raum zur freien Entfaltung peu à peu weggenommen hat. Jetzt, wo ich mir dessen bewusst bin, habe ich die Rollen anders verteilt. Noch ist die pflichtbewusste Seite aufmüpfig, aber sie wird die neue Regel annehmen müssen: Gleiches Recht für alle!